Wie neuartig ist SARS-CoV-2?

SARS-CoV-2 ist ein neu entdeckter Stamm innerhalb der Beta-Coronaviren, das Anfang 2020 als Auslöser der COVID-19 Erkrankung identifiziert wurde . Da es keinen Impfstoff gibt und eine bestehende Immunität in der Bevölkerung von vergangenen Zyklen durch Virusvorgänger dieses Stammes nicht angenommen werden kann, nahm man ursprünglich an, dass jeder für das Virus empfänglich ist.

Verbreitung von Coronaviren im Vergleich zu anderen Viren

Im europärischen Raum verbreiten sich jedes Jahr Coronaviren im Zeitraum von Dezember bis Mai mit unterschiedlicher Intensität. Als Beispiel waren bei Patienten in Glasgow in den Jahren 2006, 2007 und 2010 die stärkste Verbreitung vorhanden in denen die Coronaviren eine Prävalenz von 30% im Vergleich zu anderen Viren erreichten .

Die relativen Virusprävalenzen als Zeitverlaufsmuster basierend auf den viralen Infektionen von Patienten in Glasgow, Großbritannien, in jedem Kalendermonat von 2005 bis 2013 . Die jährliche Prävalenz von Coronaviren erreicht ihr Maximum zwischen 5-30 %.

Nicht jede Atemwegserkrankung wird durch Viren verursacht. In Deutschland erreicht die Virenlast in den Jahren 2015 bis 2019 in der Regel 75% bei Atemwegserkrankungen während der Grippesaison . Coronaviren wurden dabei nicht berücksichtigt.
Ein neuartiges Virus auf das kaum ein Immunsystem effektiv reagieren kann, würde in einer Epidemie eine sehr hohen Prävalenz entwickeln und Atemwegserkrankungen ohne virale Ursache statistisch stark zurückdrängen.

Verbreitung von SARS-CoV-2 in Deutschland 2020

Im Rahmen der ICD-10-Code basierten Krankenhaussurveillance werden Hauptdiagnosen Influenza, Pneumonie oder sonstige akute Infektionen der unteren Atemwege als schwere akute respiratorische Infektionen (SARI) protokolliert und welcher Anteil davon COVID-19 ist .

Wöchentliche Anzahl der SARI-Fälle (ICD-10-Codes J09 – J22) sowie Anteil der Fälle mit einer zusätzlichen COVID-19-Diagnose (ICD-10-Code U07.1!) unter SARI-Fällen mit einer Verweildauer bis zu einer Woche von der 12. KW 2020 bis zur 35. KW 2020, Daten aus 70 Sentinelkliniken. - Quelle: Robert Koch-Institut

Die stärkste Ausbreitung von SARS-CoV-2 wurde zwischen der 12. und der 20. Kalenderwoche gemessen und der höchste Anteil an COVID-19 SARI-Fälle erreicht 30 % in der 14. Kalenderwoche. In dem anschließenden Zeitraum von der 24. KW bis zur 35. KW 2020 lag der Anteil der SARI-Fälle die mit COVID-19 hospitalisiert wurden bei 3-4 % . Aufgrund der angenommenen Neuartigkeit ist die erwartete Prävalenz von COVID-19 SARI-Fällen wenigstens in einer Größenordnung einer Grippesaison zu erwarten (75 % oder höher). Der schnelle Rückgang der Prävalenz entspricht darüber hinaus nicht dem Bild eines neuen Virus.

Man könnte annehmen, dass die nicht pharmazeutischen Maßnahmen (NPM) und Verordnungen der Bundesländer mit der Absicht das Virus einzudämmen Auswirkung auf dessen Ausbreitung hatten. Es ist möglich, dass diese bezogen auf die absolute Anzahl an Fällen einen Effekt erzielt haben. Auf die Prävalenz sollten die NPM allerdings nur bedingt Einfluss haben, da alle anderen Erreger in ähnlicher Weise von den NPM und den Verhaltensänderungen der Bevölkerung betroffen sind.

Virenprävalenz Deutschland 2020

Die NPM und die Verhaltensänderungen haben insofern einen Effekt erwirkt, dass die meisten Virenprävalenzen welche normalerweise in Deutschland überwacht werden in den einstelligen Prozentbereich gesunken sind. In den Sommermonaten hat die Prävalenz von Rhinoviren allerdings nie zuvor gemessene Höhen erreicht wobei SARS-CoV-2 sich im unteren einstelligen Prozentbereich mit den anderen überwachten Viren aufhielt .

Anteil positiver Influenza-, RS-, hMP-, PI- und Rhinoviren an allen im Rahmen des Sentinels eingesandten Proben sowie die Anzahl der für Influenzaviren eingesandten Sentinelproben von der 12. bis zur 36. KW 2020. - Quelle: Robert Koch-Institut

Die während des gezeigten Zeitraums angewendeten Hygienemaßnahmen und NPM sollten es Rhinoviren ähnlich schwer machen sich auszubreiten wie SARS-CoV-2. Warum dies nicht der Fall war, sollte epidemiologisch untersucht werden.

Zusammenfassung und Fazit

Die Verbreitung von SARS-CoV-2 verlief innerhalb normaler Parameter. Eine starke Ausbreitung konnte nicht verzeichnet werden und blieb unterhalb von üblichen Verläufen wie zum Beispiel der saisonalen Prävalenzen von Influenza- oder Rhinoviren.
Wie Studien zeigen konnten, verfügen 60-80% der Menschen bereits über eine Kreuzreaktivität auf SARS-CoV-2 und lässt damit eine Hintergrundimmunität vermuten . Diese Entdeckung könnte den hier gezeigten Prävalenzverlauf von SARS-CoV-2 erklären.
Die Prämisse die Neuartigkeit des SARS-CoV-2 ginge über die üblicherweise zu erwarteten Mutationen von für die Menschen bekannten Viren hinaus, kann durch die hier gezeigten Daten nur bezweifelt werden.

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